DI Astrid Fajtak, Dresden
Kontakt: alumni@boku.ac.at Interview:
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Was und warum haben Sie an der BOKU studiert?
Zuerst habe ich ein individuelles Bachelorstudium Ingenieurökologie abgeschlossen. Darin habe ich Forstwirtschaft und Wasserwirtschaft verbinden können.
Danach habe ich das Masterstudium Kulturtechnik und Wasserwirtschaft gemacht und 2023 abgeschlossen.
Der Hauptgrund, an die BOKU zu gehen, waren die Inhalte. Zu Wald oder Wasser ein ganzes anwendungsorientiertes Studium machen zu können, waren unschlagbare Aussichten nach der Matura.
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Welche beruflichen Tätigkeiten üben Sie aus und welche Fähigkeiten sind wichtig?
Aktuell bin ich in der Grundwasserwirtschaft als wissenschaftliche Mitarbeiterin bzw. Gutachterin tätig. Ich analysiere Umwelt- und Wasserdaten zum Beispiel bei Altlastensicherung oder von Oberflächengewässern. Dabei kann ich das Wissen aus der Kulturtechnik einsetzen, zum Beispiel Statistik, oder wissenschaftlich informierte Meinungen zu formulieren. Ansonsten: Kommunikation! Sei es Fragen zu stellen und neugierig zu sein, oder mit unterschiedlichsten Menschen zu reden.
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Warum haben Sie sich dazu entschieden, im Ausland zu arbeiten?
Die Entscheidung ist für mich von außen gekommen, da mein Partner Wissenschaftler ist. Aber ich habe es als Chance und Herausforderung gesehen, in ein anderes Land zu ziehen. Ich kann einerseits eine (etwas) andere Kultur kennen lernen und erleben. Im EU-Ausland zu arbeiten macht den Kulturschock andererseits etwas kleiner, da die Rahmenbedingungen für die Arbeit im Umweltbereich dann doch recht standardisiert und ähnlich sind.
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Wie würden Sie Ihren bisherigen beruflichen Werdegang beschreiben?
Als sehr vielfältig! Ich habe während dem Studium das Ziel verfolgt, möglichst viele Bereiche kennen zu lernen, die mich rund um KTWW interessiert haben. Dem entsprechend habe ich von Abwasser, Hydrobiologie und Energiewirtschaft bis zur Abfallwirtschaft private und öffentliche Arbeitgeber in unterschiedlichen Bundesländern kennen gelernt. Was ich dabei gelernt habe, kann man in zwei Kategorien teilen: Was ich nicht will - fachlich oder von einem Arbeitgeber. Und viel wichtiger, dass ich mir die richtige fachliche Spezialisierung mit Bodenphysik und Hydrologie ausgesucht habe, weil mich die Faszination an dem Themengebiet nicht los lässt.
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Wie schätzen Sie die Karrieremöglichkeiten für Absolvent*innen der BOKU in Deutschland ein?
Sehr gut. Die BOKU hat einen guten Ruf in den jeweiligen Fachbereichen. Der Arbeitskräftemangel ist auch in Deutschland aktuell ein Problem, das für alle Absolvent*innen eine Chance darstellt. In Deutschland fällt natürlich die Sprachbarriere für viele Absolvent*innen weg und man kann sich sehr schnell in die Arbeitswelt einleben. Das erleichtert den Start und die weitere Karriere auch.
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An was erinnern Sie sich gerne, wenn Sie an die Studienzeit zurückdenken?
Menschen zu finden, die sich für die gleichen fachlichen Dinge begeistern können (egal ob Studienkolleg*innen oder Lehrende), viele lebhafte Diskussionen und: Die ÖH und die Veranstaltungen der Studienvertretung KTWW, wie der Biermittwoch.
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Würden Sie diesen Schritt, ins Ausland zu gehen (zum Studieren bzw. Arbeiten) weiterempfehlen? Welche Eigenschaften sollte man mitbringen? Worauf sollte man sich einstellen sprich welche Erwartungen sind realistisch?
Ja. Es ist unglaublich wertvoll, einmal andere Systeme kennen zu lernen. Auch wenn es nur für ein paar Wochen ist, macht es sehr viel Sinn, abseits von Urlaub, im Ausland Zeit zu verbringen.
Egal wo man hin geht, ein ex-pat braucht immer eine offene Einstellung gegenüber Dingen, Handlungen oder kulturellem Subtext, die einem begegnen. Man sollte dem Land eine faire Chance geben, und nicht gleich urteilen. Etwas, das vielleicht recht banal klingt: Man sollte lernen, das eine oder andere heimische Lieblingsgericht zu kochen! Als Entspannung zwischendurch, wenn das Neue zu viel wird.
Einstellen sollte man sich in der Anfangsphase auf Stress. Neue Orte, Kulturen, Menschen reißen einen aus der gewohnten Routine. Das kann im Ausland anstrengender sein. Aber, es wird besser und man kann sich mit kleinen Dingen über Wasser halten, die man zu Hause auch gerne gemacht hat. Für Deutschland sollte man sich speziell auf einen höheren bürokratischen Aufwand und wenig digitale Amtswege einstellen. Mit ein bisschen Humor lässt sich auch viel überwinden.
Dr. Elisabeth Wiesen, Nürnberg
Kontakt: elisabeth.wiesen@alumni.boku.wien
Dr. Elisabeth Wiesen, geboren in der Steiermark (Österreich), studierte Lebensmittel- und Biotechnologie in Wien (BOKU) und promovierte am Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie an der TU München-Weihenstephan. Erste Berufserfahrung erwarb sie sich bei der Brau-Union Österreich (2006), ehe sie 2011 als Technical Manager bei Joh. Barth & Sohn in Nürnberg begann. Als Technical Manager ist sie unter anderem für Forschung & Entwicklung tätig, berät Brauereien zum Thema Hopfen und Hopfeneinsatz und wirkt als Referentin in der Hops Academy. Sie ist außerdem Diplom-Biersommelière und befähigte DLG-Prüferin. Sie ist sowohl für interne Sensorikschulungen bei Joh. Barth & Sohn als auch für externe Auftragsverkostungen verantwortlich.
Kurzfragen:
- Wie haben Sie das an der BOKU erworbene Wissen verwenden können?
Am besten kann man das "Netzwerk-BOKU" nützen. Falls fachlicher Rat nötig ist, gibt es immer jemanden, den man fragen kann.
- Welches Buch haben Sie bereits oder würden Sie verschenken, das Sie selbst inspiriert hat?
Rafik Schami, Die dunkle Seite der Liebe
DI Wolfgang Bösl, München
Kontakt: wolfgang.boesl@alumni.boku.wien
DI Marion Gessler, Dossenheim
Kontakt: marion.gessler@alumni.boku.wien
MVV Umwelt GmbH, Projektentwicklerin im Bereich Abfallentsorgung
DI Christine Maria Gutschelhofer, Frankfurt
Kontakt: christine.gutschelhofer@alumni.boku.wien
Die 36-jährige Christine Maria Gutschelhofer lebt seit rund vier Jahren mit ihrem Lebensgefährten in Frankfurt. Die Steirerin ist Lebensmittel- und Biotechnologin und arbeitet bei der R-Biopharm AG als Area Sales Manager Europa im Bereich Food & Feed Analytik und ist zuständig für Marktanalyse, Marketingaktivitäten, Beteiligung an Fachtagungen und vieles mehr.
Interview
- Was ist anders in Ihrem jetzigen Aufenthaltsland als in Österreich?
Manchmal vieles, meistens jedoch nichts!
- Was vermissen Sie am meisten?
Meine Eltern, meinen „kleinen/großen“ Bruder und insbesondere meine beste Freundin Bettina. Außerdem komme ich gerade von einer Bergtour im Salzburger Land (Hoher Sonnblick) retour – also definitiv die Berge, aber eben auch so kleine Dinge im Leben wie den Kümmel im Brot!
- Was vermissen Sie absolut nicht?
Eindeutig die 130 km/h Maximalgeschwindigkeit auf den österreichischen Autobahnen! Aber, was auch kommt. Es werden für mich immer die Liedtextzeilen von Rainhard Fendrich gelten: I steh´ zu dir bei Licht und Schatten ...... Sag´ ich am End´ der Welt voll Stolz und wenn ihr a wollt´s auch ganz alla – I am from Austria!
- Warum haben Sie sich entschieden, im Ausland zu arbeiten?
Es waren private Gründe, mein Lebensgefährte ist aus Deutschland.
- Wie gut haben Sie sich an Ihrem neuen Lebensmittelpunkt bereits eingewöhnt?
Ich denke – ganz gut! Mittlerweile finde ich ohne Navigationssystem vom Büro zurück in die eigenen vier Wände, in der Bäckerei bestelle ich „Brötchen“ statt „Weckerln“ und lasse mir das Ganze in einer „Tüte“ anstelle einem „Sackerl“ geben. Und bei der Verabschiedung „Vertschüsse“ ich mich!
- Haben Sie viele Kontakte?
Das berufliche als auch das private Netzwerk „passt schon“!
- Was ist Ihnen ans Herz gewachsen?
Einiges, wie etwa der Rheingau mit seinem leckeren Riesling, dem Musikfestival sowie das Museumsuferfest in Frankfurt.
- Wie unterscheidet sich Ihr Leben – Arbeits- wie Privatleben – nun von Ihrem Leben in Österreich?
Die internationale Reisetätigkeit fordert und fördert meine Flexibilität.
Einige würden sagen, es hat meine Toleranz gefördert. Ich meine jedoch, es hat mein Interesse sowie das Verständnis für unterschiedliche Handlungsweisen, Gewohnheiten & Mentalitäten erweitert. Auf jeden Fall bin ich den Deutschen gegenüber toleranter geworden.
Aus der privaten Perspektive betrachtet hat sich ebenfalls manches verändert! So steht beispielsweise „Flachlandbiken“ statt Mountainbiken am Programm und um Ski zu fahren, muss ich rund 600 Kilometer Anfahrtsweg auf mich nehmen!
- Gibt es Dinge, die Sie vielleicht zuhause niemals getan hätten? Hobbys, Alltagsrituale und Gewohnheiten?
Nein, dafür ist Deutschland meinem Heimatland zu ähnlich! Oder es fällt mir inzwischen kein Unterschied mehr auf!
- Haben Sie das Gefühl, das Leben in einem anderen Land hat Ihren Horizont erweitert? Haben Sie neue Sichtweisen gewonnen und wenn so, welche?
Neben dem sprachlichen Horizont hat es mein Wissen über bis dahin fremde Kulturen und Länder erweitert. Dies ist jedoch nicht durch den Umzug nach Deutschland, sondern vielmehr durch meine internationale Tätigkeit bedingt.
- Würden Sie diesen Schritt, ins Ausland zu gehen (zum Studieren bzw. Arbeiten) weiter empfehlen? Welche Eigenschaften sollte man mitbringen? Worauf sollte man sich einstellen sprich welche Erwartungen sind realistisch?
Hängt vom Typ ab! Man sollte unbedingt versuchen seine Träume zu realisieren und wenn ein Auslandaufenthalt dabei weiterhilft oder auf der Wunschliste steht, dann ja! Wichtig ist, vor nichts zurück zu schrecken und etwas zu wagen. Je weniger Erwartungen man hat, desto weniger enttäuscht wird man! Das Motto sollte sein: No risk, no fun!
Dr. Bettina Hamann, Berlin
Kontakt: bettina.hamann@alumni.boku.wien
Technische Universität Berlin, Studiendekanin, Coordinator Urban management Masterprogram
DI Wolfgang Pöckl, Stephanskirchen – Bayern
Kontakt: wolfgang.poeckl@alumni.boku.wien
Wolfgang Pöckl kommt aus St. Pölten und studierte Kulturtechnik und Wasserwirtschaft. Seit zwölf Jahren lebt der 41-Jährige nun in Rosenheim und wird dort wahrscheinlich bis zur Pension bleiben. Seit neun Jahren arbeitet er nun für die Firma BavariaGIS, einem Dienstleistungsbüro für Geografische-Betriebsmittel-Informationssysteme.
Interview
- Was ist anders in Ihrem jetzigen Aufenthaltsland als in Österreich? Was vermissen Sie am meisten? Was vermissen Sie absolut nicht?
Da sich Sprache und Kultur in meinem jetzigen Aufenthaltsland Deutschland nicht wesentlich von Österreich unterscheiden, gibt es keine nennenswerten Änderungen zu meinem vorange-gangenen Lebensabschnitt. Was ich allerdings besonders vermisse, ist die österreichische Gemütlichkeit bzw. der „Wiener Schmäh“, aber auch kulinarische Schmankerl aus der Hei-mat. So sucht man hierzulande vergeblich nach einem Heurigen, um nach Feierabend ein Glas Grünen Veltliner genießen zu können.
- Warum haben Sie sich entschieden, im Ausland zu arbeiten?
Der Grund ins Ausland zu gehen, war zunächst rein privat und nicht beruflich motiviert, da ich mein Studium noch nicht abgeschlossen hatte. Als Diplomingenieur sah ich es dann als Herausforderung, am deutschen Arbeitsmarkt erfolgreich zu bestehen, obwohl der Start ins Berufsleben nicht den Erwartungen eines Akademikers entsprach. So musste ich erst 18 Mo-nate als Pförtner in einem Krankenhaus arbeiten (wahrscheinlich Deutschlands einziger „Dip-lompförtner“), bevor ich meinen derzeitigen Job über das Arbeitsamt gefunden habe.
- Wie gut haben Sie sich an Ihrem neuen Lebensmittelpunkt bereits eingewöhnt? Haben Sie viele Kontakte? Was ist Ihnen ans Herz gewachsen?
Nach 12 Jahren kann man sagen, ich bin in Bayern angekommen (u.a. auch durch meine deutsche Ehefrau), trotzdem bleibt man immer Ausländer. Die meisten Kontakte habe ich nach wie vor zu Freunden und Verwandten aus meiner Zeit in Österreich. Hier in Deutschland beschränkt sich mein sozialer Kontakt auf Personen aus dem erweiterten beruflichen Umfeld. Es heißt, wenn man wo fremd ist, soll man sich anpassen. Dennoch stehe ich zu meinen niederösterreichischen Wurzeln und bekenne mich offen zu meiner Heimat.
Besonders schätze ich die bayrische Mentalität, die besagt: Leben und leben lassen.
- Wie unterscheidet sich Ihr Leben – Arbeits- wie Privatleben – nun von Ihrem Leben in Österreich? Gibt es Dinge, die Sie vielleicht zuhause niemals getan hätten? Hobbys, All-tagsrituale und Gewohnheiten?
Wie schon oben erwähnt gibt es im deutschen Alltag viel Parallelität zu Österreich. Die größte Divergenz sehe ich im Berufsleben, wo das Klima etwas rauer ist. Es herrscht oft eine zu ernste und verbissene Strebsamkeit, die wenig Platz lässt für Konsens. Das Beharren auf dem eigenen Standpunkt könnte man auch als deutsche Gründlichkeit interpretieren, widerspricht aber meiner Lebensphilosophie. Meine Hobbys und Gewohnheiten pflege ich in gleicher Weise wie zuvor. Ein Alltagsritual ist in Bayern unumgänglich. Jeden Freitagvormittag gibt es in der Firma eine Weißwurst-Brotzeit.
- Haben Sie das Gefühl, das Leben in einem anderen Land hat Ihren Horizont erweitert? Haben Sie neue Sichtweisen gewonnen und wenn so, welche?
Ja, absolut. Man ist zwar noch kein Kosmopolit, wenn man im Ausland lebt, aber mit fortlau-fender Zeit verliert man das „Schrebergartendenken“. Stattdessen habe ich mehr Toleranz und eine liberale weltoffene Denkweise gewonnen. Auf die stetig wiederkehrende Frage nach meiner Herkunft antworte ich mit dem Satz: Ich bin überzeugter Europäer.
- Würden Sie diesen Schritt, ins Ausland zu gehen (zum Studieren bzw. Arbeiten) weiter-empfehlen? Welche Eigenschaften sollte man mitbringen? Worauf sollte man sich ein-stellen sprich welche Erwartungen sind realistisch?
Jeder Person, der sich die Möglichkeit zum Auslandsaufenthalt bietet, sei es zum Studieren oder Arbeiten, sollte die Möglichkeit nutzen und die Chance wahrnehmen, nicht nur gutes Geld zu verdienen, sondern sich Wissen anzueignen und den eigenen Charakter zu stärken. Man sollte sich aber nicht der blauäugigen Illusion hingeben, dass man mit offenen Armen erwartet wird, man fängt bei null an. Doch mit der nötigen Selbstdisziplin und Ausdauer kann man auch im Ausland reüssieren. Ich war schon Zeit meines Studiums eher ein beharrlicher Einzelkämpfer, was in den ersten Jahren in der Fremde von Vorteil war.
Univ. Prof. Dr. Wilhelm Windisch, München/Weihenstephan – Bayern
Kontakt: wilhelm.windisch@alumni.boku.wien
Prof. Dr. Wilhelm Windisch ist Leiter des Lehrstuhls für Tierernährung der Technischen Universität München-Weihenstephan (http://lte.wzw.tum.de).
Von 2002 bis 2009 war er Professor für Tierernährung an der BOKU Wien und leitete das BOKU-Institut für Tierernährung, Tierische Lebensmittel und Ernährungsphysiologie (TTE). Seine Arbeitsschwerpunkte liegen auf dem Bereich des Stoffwechsels der Mineralstoffe sowie auf dem Einfluss der Fütterung auf die Funktionalität der Verdauungsfunktionen landwirtschaftlicher Nutztiere
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Dr. Andreas Ottitsch
Kontakt: andreas.ottitsch@alumni.boku.wien
Der gebürtige Wiener Andreas Ottitsch studierte an der BOKU Forstwirtschaft inklusive Doktorat und hat im Zuge seiner akademischen Laufbahn nun bereits die vierte Auslandsstelle als Senior Lecturer und Course Director an der University of Cumbria in Großbritannien inne. Dennoch befindet sich der Lebensschwerpunkt des 46-Jährigen im Burgenland, wo seine Frau und Kinder leben.
Interview
- Was ist anders in Ihrem jetzigen Aufenthaltsland als in Österreich? Was vermissen Sie am meisten?
Von Universitätslehrern wird in Großbritannien erwartet, ein wesentlich breiteres Fachgebiet zu vertreten, als man es in Österreich - oder auch den anderen Ländern, in denen ich gearbeitet habe - gewohnt ist. Meine Lehrtätigkeit umfasst nun Forstpolitik, Internationale Aspekte der Forstwirtschaft, Geoinformationssysteme sowie forstliche Betriesplanung (Forsteinrich-tung).
Was ich am meisten vermisse: Die Wiener Kaffeehauskultur.
- Warum haben Sie sich entschieden, im Ausland zu arbeiten?
Die Entscheidung für eine akademische Laufbahn bedingt die Bereitschaft, sich auch für Be-rufstätigkeit im Ausland zu interessieren.
- Wie gut haben Sie sich an Ihrem neuen Lebensmittelpunkt bereits eingewöhnt? Haben Sie viele Kontakte? Was ist Ihnen ans Herz gewachsen?
Großbritannien ist bereits die dritte Station meiner ausländischen Berufstätigkeit und Schwer-punkt meiner beruflichen Aktivitäten. Gleichzeitig habe ich nie meine Bindung an Österreich verloren. Da meine Frau und drei Kinder nun in Rechnitz wohnen, ist eigentlich da auch mein Lebensmittelpunkt. Kontakte habe ich nicht nur in Großbritannien sondern – bedingt auch durch internationale Projekttätigkeit – in ganz Europa und darüber hinaus.
- Wie unterscheidet sich Ihr Leben – Arbeits- wie Privatleben – nun von Ihrem Leben in Österreich? Gibt es Dinge, die Sie vielleicht zuhause niemals getan hätten? Hobbys, Alltagsrituale und Gewohnheiten?
Die berufliche Tätigkeit an einer Universität in Großbritannien unterscheidet sich deutlich von der in Österreich, da der Studienbetrieb wesentlich stärker verschult ist. Bedingt durch geringere Studentenzahlen (ca. 15 – 20 pro Jahrgang) ist der Kontakt mit den Studenten intensiver. Dies wird auch noch durch die hohe Lehrverpflichtung (ca. 20 Semesterwochenstunden) „begünstigt“. In meiner Freizeit mache ich vor allem von den großartigen Möglichkeiten, die der „Lake District“ (man könnte die Gegend auch das „Salzkammergut“ Großbritanniens nennen) bietet.
- Haben Sie das Gefühl, das Leben in einem anderen Land hat Ihren Horizont erwei-tert? Haben Sie neue Sichtweisen gewonnen und wenn so, welche?
Wenn man verschiedene Länder nicht nur durch Kurzaufenthalte, sondern über längere Zeit als „Einwohner“ und „Berufstätiger“ erlebt, so erkennt man, dass vieles, was vermeintlich selbstverständlich ist, oft nur durch historische Zufälligkeiten oder bestimmte Interessensla-gen bedingt ist. Bedingt durch die Gesetzgebung der letzten 12 Jahre ist im vermeintlich libe-ralen England heute vieles bürokratischer geregelt als in Österreich. Als ein Beispiel sei hier nur der gesamte Bereich des Sicherheits- und Gesundheitswesens (SIGE) genannt, das nicht nur sehr hohe Ansprüche an Betriebe stellt, sondern zunehmend auch die Erbringung freiwil-liger Leistungen durch Vereine und Einzelpersonen erschwert.
Umgekehrt ist der Berufszugang nach wie vor deutlich liberaler gestaltet. Wer sich in Groß-britannien für befähigt hält, auf einem bestimmten Fachgebiet eine Leistung anzubieten, darf das – von Ausnahmen wie etwa dem Gesundheitswesen oder rechtlicher Dienstleistungen abgesehen - ohne die bei uns üblichen Ausbildungs- und Befähigungsnachweise machen. Um für Kunden dennoch eine gewisse Sicherheit zu gewährleisten, gibt es allerdings berufliche Qualifikationszertifikate, die durch freiwillige Interessensvertretungen vergeben werden. So gibt es für den forstlichen Bereich etwa das „Institute of Chartered Foresters“, das nicht nur eine Vereinigung aller beruflich am Forstwesen Interessierten (vergleichbar mit dem österrei-chischen Forstverein) darstellt, sondern dessen Vollmitgliedschaft auch als Ausweis der be-ruflichen Qualifikation gilt sowie die Unterwerfung unter ein Standesrecht mit sich bringt, womit Funktionen, die der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten (freie Berufe) oder dem Fachverband Ingenieurbüros innerhalb der Wirtschaftskammer (Gewerbe) vergleichbar sind, erfüllt werden.
- Würden Sie diesen Schritt, ins Ausland zu gehen (zum Studieren bzw. Arbeiten) wei-terempfehlen? Welche Eigenschaften sollte man mitbringen? Worauf sollte man sich einstellen sprich welche Erwartungen sind realistisch.
Zwischen Auslandsstudium und beruflicher Tätigkeit im Ausland ist deutlich zu unterschei-den. Zweifellos stellt ein Auslandsstudium eine Bereicherung der Ausbildung dar. Im Rah-men meiner beruflichen Tätigkeit habe ich viele Auslandsstudenten kennengelernt und fast alle haben ausgesprochen interessante Karrierewege eingeschlagen. Allerdings hat die Einfüh-rung der Bologna-konformen Studiengänge diesen Weg nicht unbedingt erleichtert, da zwar die Abschlussniveaus, nicht aber der Aufbau der Studiengänge selbst einander angeglichen wurden. Realistischer ist es hier heute, ein inländisches Bachelor-Studium mit einem auslän-dischen Masterstudium zu kombinieren.
Was die Berufstätigkeit im Ausland angeht, so ist hier zwischen einer – von vorneherein als vorübergehend ausgelegten Tätigkeit, wie sie gerade im akademischen Bereich oft vorkommt – und dem „Sprung ins Ungewisse“, die der vollständige Wechsel an eine ausländische Ar-beitsstelle dann doch darstellt, zu unterscheiden. Durch die Berufstätigkeit im Ausland ge-winnt man etwa neue Netzwerke, doch ist es oft schwer, bestehende heimische Netzwerke zu pflegen, was die „Rückkehr“ in die Heimat dann doch sehr erschwert. Auch wenn die Ar-beitssprache Englisch ist, sollte man sich die Mühe machen, zumindest Grundkenntnisse der jeweiligen Landessprache möglichst bald zu erlernen. Dies erleichtert das Alltagsleben und führt zu einer deutlichen Verbesserung der sozialen Kontakte.
Sehr genau sollte man sich auch über die im jeweiligen Land geltenden arbeits- sozial- und steuerrechtlichen Bestimmungen informieren. Dies gilt besonders dann, wenn man nicht im Rahmen einer internationalen Organisation (z.B. UN-FAO) sondern durch einen „normalen“ ausländischen Arbeitgeber angestellt wird. So sind bestimmte Gesundheits- und Sozialleis-tungen selbst in den vermeintlichen Sozialparadiesen Skandinaviens weniger großzügig aus-gelegt als in Österreich (z.B. Zahnbehandlung für Erwachsene nicht in der staatlichen Ge-sundheitsversicherung enthalten). Im steuerlichen Bereich gibt es Abgaben, die nicht im Rahmen der Lohnsteuer sondern auf Basis von Wohnort und Wohnstandard (z.B. britische „Council Tax“) abgerechnet werden und die durchaus vierstellige Eurobeträge erreichen kön-nen. Sofern man nicht in der Eurozone tätig ist, macht es auch Sinn, ein angebotenes Gehalt nicht nur auf Basis des derzeit geltenden Wechselkurses zu beurteilen, sondern auch längere historische Entwicklungen bzw. Kaufkraftparität (im einfachsten Falle ist hier ein auf einem Paradeprodukt einer berühmten Fast Food Kette basierender Index durchaus hilfreich) zu berücksichtigen. Und noch ein Hinweis in dem Zusammenhang: Wenn auf einem Arbeitsver-trag ein „Monatsgehalt“ (statt des üblicheren Jahresgehalts) angeführt ist, dann muss man sich dessen bewusst sein, dass außerhalb der österreichischen Landesgrenzen das Jahr prinzipiell zwölf und nicht vierzehn Monate hat….
Eine berufliche Tätigkeit im Ausland halte ich auf jeden Fall für empfehlenswert, doch sollte man sich über das neue Arbeitsumfeld sehr detailliert informieren und auch überlegen, was dann in einigen Jahren „der nächste Schritt“ sein könnte. Ich begrüße auf jeden Fall die Initia-tive des Alumni-Verbandes hier Absolventen und Studenten durch die Schaffung nationaler Ansprechpartner zu unterstützen und freue mich, meine bisherigen Erfahrungen und Kennt-nisse in dieses Netzwerk einbringen zu können.
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